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Reineke Fuchs - Goethe Johann Wolfgang - Страница 22
Zehnter Gesang
O mein Konig! sagte darauf der listige Redner:
La?t mich, edelster Furst, vor meinen Freunden erzahlen,
Was Euch alles von mir an kostlichen Dingen bestimmt war.
Habt Ihr sie gleich nicht erhalten, so war mein Wille doch loblich.
Sage nur an, versetzte der Konig: und kurze die Worte.
Gluck und Ehre sind hin! Ihr werdet alles erfahren,
Sagte Reineke traurig. Das erste kostliche Kleinod
War ein Ring; ich gab ihn Bellynen, er sollt ihn dem Konig
Uberliefern. Es war auf wunderbarliche Weise
Dieser Ring zusammengesetzt und wurdig, im Schatze
Meines Fursten zu glanzen, aus feinem Golde gebildet.
Auf der inneren Seite, die nach dem Finger sich kehret,
Standen Lettern gegraben und eingeschmolzen; es waren
Drei hebraische Worte von ganz besonderer Deutung.
Niemand erklarte so leicht in diesen Landen die Zuge,
Meister Abryon nur von Trier, der konnte sie lesen.
Es ist ein Jude, gelehrt, und alle Zungen und Sprachen
Kennt er, die von Poitou bis Luneburg werden gesprochen;
Und auf Krauter und Steine versteht sich der Jude besonders.
Als ich den Ring ihm gezeigt, da sagt' er: Kostliche Dinge
Sind hierinnen verborgen. Die drei gegrabenen Namen
Brachte Seth, der Fromme, vom Paradiese hernieder,
Als er das Ol der Barmherzigkeit suchte; und wer ihn am Finger
Tragt, der findet sich frei von allen Gefahren: es werden
Weder Donner, noch Blitz, noch Zauberei ihn verletzen.
Ferner sagte der Meister: er habe gelesen, es konne
Wer den Ring am Finger bewahrt, in grimmiger Kalte
Nicht erfrieren; er lebe gewi? ein ruhiges Alter.
Au?en stand ein Edelgestein, ein heller Karfunkel,
Dieser leuchtete nachts und zeigte deutlich die Sachen.
Viele Krafte hatte der Stein: er heilte die Kranken,
Wer ihn beruhrte, fuhlte sich frei von allen Gebrechen,
Aller Bedrangnis, nur lie? sich der Tod allein nicht bezwingen.
Weiter entdeckte der Meister des Steines herrliche Krafte:
Glucklich reist der Besitzer durch alle Lande, ihm schadet
Weder Wasser, noch Feuer; gefangen oder verraten
Kann er nicht werden, und jeder Gewalt des Feindes entgeht er.
Und besieht er nuchtern den Stein, so wird er im Kampfe
Hundert uberwinden und mehr. Die Tugend des Steines
Nimmt dem Gifte die Wirkung und allen schadlichen Saften.
Ebenso vertilgt sie den Ha?, und sollte gleich mancher
Den Besitzer nicht lieben, er fuhlt sich in kurzem verandert.
Wer vermochte die Krafte des Steines alle zu zahlen,
Den ich im Schatze des Vaters gefunden und den ich dem Konig
Nun zu senden gedachte? Denn solches kostlichen Ringes
War ich nicht wert, ich wu?t es recht wohl; er sollte dem Einen,
Der von allen der Edelste bleibt, so dacht ich, gehoren:
Unser Wohl beruht nur auf ihm und unser Vermogen,
Und ich hoffte, sein Leben vor allem Ubel zu schutzen.
Ferner sollte Widder Bellyn der Konigin gleichfalls
Kamm und Spiegel verehren, damit sie meiner gedachte.
Diese hatt ich einmal zur Lust vom Schatze des Vaters
Zu mir genommen, es fand sich auf Erden kein schoneres Kunstwerk.
O wie oft versucht' es mein Weib und wollte sie haben!
Sie verlangte nichts weiter von allen Gutern der Erde,
Und wir stritten darum; sie konnte mich niemals bewegen,
Doch nun sendet ich Spiegel und Kamm mit gutem Bedachte
Meiner gnadigen Frauen, der Konigin, welche mir immer
Gro?e Wohltat erwies und mich vor Ubel beschirmte;
Ofters hat sie fur mich ein gunstiges Wortchen gesprochen,
Edel ist sie, von hoher Geburt, es ziert sie die Tugend,
Und ihr altes Geschlecht bewahrt sich in Worten und Werken;
Wurdig war sie des Spiegels und Kammes! die hat sie nun leider
Nicht mit Augen gesehn, sie bleiben auf immer verloren.
Nun vom Kamme zu reden. Zu diesem hatte der Kunstler
Pantherknochen genommen, die Reste des edlen Geschopfes;
Zwischen Indien wohnt es und zwischen dem Paradiese,
Allerlei Farben zieren sein Fell, und su?e Geruche
Breiten sich aus, wohin es sich wendet, darum auch die Tiere
Seine Fahrte so gern auf allen Wegen verfolgen;
Denn sie werden gesund von diesem Geruche, das fuhlen
Und bekennen sie alle. Von solchen Knochen und Beinen
War der zierliche Kamm mit vielem Flei?e gebildet,
Klar wie Silber und wei?, von unaussprechlicher Reinheit,
Und des Kammes Geruch ging uber Nelken und Zimmet.
Stirbt das Tier, so fahrt der Geruch in alle Gebeine,
Bleibt bestandig darin und la?t sie nimmer verwesen,
Alle Seuche treibt er hinweg und alle Vergiftung.
Ferner sah man die kostlichsten Bilder am Rucken des Kammes
Hocherhaben, durchflochten mit goldenen zierlichen Ranken
Und mit rot- und blauer Lasur. Im mittelsten Felde
War die Geschichte kunstlich gebildet, wie Paris von Troja
Eines Tages am Brunnen sa?, drei gottliche Frauen
Vor sich sah, man nannte sie Pallas und Juno und Venus.
Lange stritten sie erst, denn jegliche wollte den Apfel
Gerne besitzen, der ihnen bisher zusammen gehorte;
Endlich verglichen sie sich: es solle den goldenen Apfel
Paris der Schonsten bestimmen, sie sollt allein ihn behalten.
Und der Jungling beschaute sie wohl mit gutem Bedachte.
Juno sagte zu ihm: Erhalt ich den Apfel, erkennst du
Mich fur die Schonste, so wirst du der erste vor allen an Reichtum.
Pallas versetzte: Bedenke dich wohl und gib mir den Apfel,
Und du wirst der machtigste Mann; es furchten dich alle,
Wird dein Name genannt, so Feind als Freunde zusammen.
Venus sprach: Was soll die Gewalt? was sollen die Schatze?
Ist dein Vater nicht Konig Priamus? deine Gebruder,
Hektor und andre, sind sie nicht reich und machtig im Lande?
Ist nicht Troja geschutzt von seinem Heere? und habt ihr
Nicht umher das Land bezwungen und fernere Volker?
Wirst du die Schonste mich preisen und mir den Apfel erteilen,
Sollst du des herrlichsten Schatzes auf dieser Erde dich freuen.
Dieser Schatz ist ein treffliches Weib, die Schonste von allen,
Tugendsam, edel und weise, wer konnte wurdig sie loben?
Gib mir den Apfel, du sollst des griechischen Konigs Gemahlin,
Helena mein ich, die schone, den Schatz der Schatze besitzen.
Und er gab ihr den Apfel und pries sie von allen die Schonste.
Aber sie half ihm dagegen die schone Konigin rauben,
Menelaus' Gemahlin, sie ward in Troja die Seine.
Diese Geschichte sah man erhaben im mittelsten Felde.
Und es waren Schilder umher mit kunstlichen Schriften;
Jeder durfte nur lesen, und so verstand er die Fabel.
Horet nun weiter vom Spiegel! daran die Stelle des Glases
Ein Beryll vertrat von gro?er Klarheit und Schonheit;
Alles zeigte sich drin, und wenn es meilenweit vorging,
War es Tag oder Nacht. Und hatte jemand im Antlitz
Einen Fehler, wie er auch war, ein Fleckchen im Auge,
Durft er sich nur im Spiegel besehn, so gingen von Stund an
Alle Mangel hinweg und alle fremden Gebrechen.
Ists ein Wunder, da? mich es verdrie?t, den Spiegel zu missen?
Und es war ein kostliches Holz zur Fassung der Tafel,
Sethym hei?t es, genommen, von festem, glanzendem Wuchse;
Keine Wurmer stechen es an und wird auch, wie billig,
Hoher gehalten als Gold, nur Ebenholz kommt ihm am nachsten.
Denn aus diesem verfertigt' einmal ein trefflicher Kunstler
Unter Konig Krompardes ein Pferd von seltnem Vermogen:
Eine Stunde brauchte der Reiter und mehr nicht zu hundert
Meilen. Ich konnte die Sache fur jetzt nicht grundlich erzahlen,
Denn es fand sich kein ahnliches Ro?, solange die Welt steht.
Anderthalb Fu? war rings die ganze Breite des Rahmens
Um die Tafel herum, geziert mit kunstlichem Schnitzwerk,
Und mit goldenen Lettern stand unter jeglichem Bilde,
Wie sichs gehort, die Bedeutung geschrieben. Ich will die Geschichten
Kurzlich erzahlen. Die erste war von dem neidischen Pferde:
Um die Wette gedacht es mit einem Hirsche zu laufen,
Aber hinter ihm blieb es zuruck, das schmerzte gewaltig;
Und es eilte darauf, mit einem Hirten zu reden,
Sprach: Du findest dein Gluck, wenn du mir eilig gehorchest.
Setze dich auf, ich bringe dich hin, es hat sich vor kurzem
Dort ein Hirsch im Walde verborgen, den sollst du gewinnen;
Fleisch und Haut und Geweih, du magst sie teuer verkaufen,
Setze dich auf, wir wollen ihm nach! — Das will ich wohl wagen!
Sagte der Hirt und setzte sich auf, sie eilten von dannen.
Und sie erblickten den Hirsch in kurzem, folgten behende
Seiner Spur und jagten ihm nach. Er hatte den Vorsprung,
Und es ward dem Pferde zu sauer, da sagt' es zum Manne:
Sitze was ab, ich bin mude geworden, der Ruhe bedarf ich.
Nein! wahrhaftig, versetzte der Mann: du sollst mir gehorchen,
Meine Sporen sollst du empfinden, du hast mich ja selber
Zu dem Ritte gebracht; und so bezwang es der Reiter.
Seht, so lohnet sich der mit vielem Bosen, der, andern
Schaden zu bringen, sich selbst mit Pein und Ubel beladet.
Ferner zeig ich Euch an, was auf dem Spiegel gebildet
Stand: Wie ein Esel und Hund bei einem Reichen in Diensten
Beide gewesen! so war denn der Hund nun freilich der Liebling,
Denn er sa? beim Tische des Herrn und a? mit demselben
Fisch und Fleisch und ruhte wohl auch im Scho?e des Gonners,
Der ihm das beste Brot zu reichen pflegte; dagegen
Wedelte mit dem Schwanze der Hund und leckte den Herren.
Boldewyn sah des Gluck des Hundes, und traurig im Herzen
Ward der Esel und sagte bei sich: Wo denkt doch der Herr hin,
Da? er dem faulen Geschopfe so au?erst freundlich begegnet?
Springt das Tier nicht auf ihm herum und leckt ihn am Barte!
Und ich mu? die Arbeit verrichten und schleppe die Sacke.
Er probier es einmal und tu mit funf, ja mit zehen
Hunden im Jahre so viel, als ich des Monats verrichte!
Und doch wird ihm das Beste gereicht, mich speist man mit Stroh ab,
La?t auf der harten Erde mich liegen, und wo man mich hintreibt
Oder reitet, spottet man meiner. Ich kann und ich will es
Langer nicht dulden, will auch des Herren Gunst mir erwerben.
Als er so sprach, kam eben sein Herr die Stra?e gegangen;
Da erhub der Esel den Schwanz und baumte sich springend
Uber den Herren und schrie und sang und plarrte gewaltig,
Leckt' ihm den Bart und wollte nach Art und Weise des Hundes
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