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Die Seemannsbraut: Sir Richard und die Ehre der Bolithos - Kent Alexander - Страница 26
Wahrscheinlich meinte er Haven. Wenn sie die Hyperion bald trafen, wurde deren Chirurg ihn vielleicht retten konnen.
Bolitho dachte an die Fracht unter seinen Fu?en: Kisten und Kasten voll Gold und Silber, juwelenbesetzten Kruzifixen und Schmuckstucken. Im Licht von Alldays Laterne glitzerten die Schatze fast ordinar. Sie hatten Gluck gehabt, dachte er mude. Dem spanischen Kapitan war eine Information entschlupft: An eben jenem Morgen sollte sich eine Kompanie Soldaten auf der Ciudad einschiffen, um den Schatz zu begleiten, bis er in spanischen Gewassern entladen wurde. Eine Kompanie regularer, disziplinierter Soldaten aber hatte ihren Handstreich zum Gespott gemacht.
Er dachte an den kleinen Schoner Spica und seinen Kapitan, der versucht hatte, Alarm auszulosen. Sein Schiff war heil, aber die Spanier wurden kaum andere Schiffe abstellen, um ihn in sichere Gewasser zu geleiten. Vielleicht sahen sie in ihm sogar den Schuldigen. Eines war sicher: Er wurde nie wieder mit dem Feind Handel treiben, ob neutral oder nicht.
Bolitho gahnte herzhaft und massierte seine Stirnnarbe. Samuel Lintott, der imponierende Bootsmann der Hyperion, wurde einige Fluche loslassen, wenn er den Verlust der Jolle und der beiden Kutter entdeckte. Vielleicht konnte ihn das hohe Prisengeld trosten, das allen winkte. Der Admiral bemuhte sich, nicht einzunicken. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt ungestort geschlafen hatte.
Das Schiff und seine reiche Ladung wurden in der City von London Freude auslosen, und naturlich bei seiner Britannischen
Majestat, dem Konig, der sich nicht einmal an seinen Namen erinnert hatte, als er ihn mit dem Schwert zum Ritter schlug. Doch vielleicht bedeutete der Schatz fur diejenigen, die so viel besa?en, gar nichts Besonderes.
Man konnte einen Krieg auch anders fuhren, als mit Kanonen Blut zu vergie?en. Aber weder das eine noch das andere schien ihm richtig zu sein; er fuhlte sich unbehaglich. Nur der Stolz lie? ihn durchhalten und der Gedanke an seine Manner. An solche, die ihre Leute retteten und selbst untergingen wie Dalmain. Oder an jene wie Seemann Laker, der Schulter an Schulter mit seinen Freunden gefochten hatte, weil sie mehr fur ihn bedeuteten als irgendeine Flagge oder Beute.
England kam ihm in den Sinn, und er fragte sich, wie Belinda wohl ihre Zeit in London verbrachte. Er sah ihr Bild wie durch ein salzbeflecktes Teleskop, farblos und verschwommen, und fuhlte sich vage schuldig. Dann schweiften seine Gedanken zu Viscount Somervell, obwohl das nur ein Umweg war, der ihn wieder zu Catherine fuhrte. Wurden sie nun Westindien verlassen, nachdem der Schatz oder doch ein gro?er Teil davon erbeutet war?
Seine Stirn beruhrte den Unterarm, und er fuhr jah hoch, weil er am Tisch eingenickt war. Gleichzeitig horte er die Stimme des Ausgucks im Masttopp. Als Parris antwortete und der Ausguck abermals brullte, war er schon auf den Fu?en und blickte durchs Oberlicht.
«Achtung, Deck! Zwei Segel in Nordwest!»
Bolitho durchschritt ihm fremde Turen und passierte eine Reihe verlassener Kabinen. Die Reste der spanischen Schiffsbesatzung waren im Laderaum eingeschlossen, wo sie weder das Schiff zuruckerobern noch den Rumpf beschadigen konnten, ohne ihr eigenes Leben zu gefahrden. Alle Leute der Hyperion befanden sich an Deck oder hoch oben in der Takelage. Neben einem Bucherbord hing das Portrat eines spanischen Edelmannes, den er fur den Vater des Kapitans hielt. Vielleicht war es auch bei ihm so wie in dem alten grauen Haus in Falmouth, auch er hatte Gemalde, die eine Familiengeschichte erzahlten.
An der Backbordseite des Achterdecks standen Parris, Jenour und Skilton, der Meistergehilfe, jeder mit einem Fernglas. Parris sah ihn und gru?te.»Noch nichts Neues, Sir Richard.»
Der Horizont bildete eine scharfe Linie, er glich der Krone eines Deiches, hinter der man nichts sehen konnte. Bis es dunkel war, wurden noch Stunden vergehen. Das alles dauerte viel zu lange.
«Vielleicht ist's die Hyperion, Sir Richard.»
Doch beide glaubten es nicht. Bolitho meinte:»Bei diesem gunstigen Wind hatten wir schon mittags mit ihr zusammentreffen mussen«, und setzte nach einer Pause hinzu:»Benachrichtigt Thor, Imrie durfte die Fremden noch nicht gesehen haben.»
Er machte ein paar Schritte hierhin und dorthin, das Kinn in der Halsbinde vergraben. Das gab ihm Zeit zum Uberlegen. Er mu?te sich mit dem Gedanken vertraut machen, da? der Feind ihm auf den Fersen war. Bei der Ciudad de Sevilla aber handelte es sich weder um ein Kriegsschiff, noch verfugte sie uber die Bewaffnung eines Indienfahrers. Die Geschutze mit ihren verzierten Lafetten und demonstrativen Bronzemaulern machten zwar einen kriegerischen Eindruck, waren aber nutzlos au?er gegen Piraten und Freibeuter.
Er musterte einige Seeleute in seiner Nahe. Das Gefecht hatte ihnen genug abverlangt. Freunde waren verwundet und getotet worden, doch ihr Uberleben und der Traum vorn Prisengeld hatten sie in Hochstimmung versetzt. Nun kam es wieder anders. Ein Wunder, da? sie nicht nach achtern eilten, sich alles aneigneten und flohen. Nur Bolitho und zwei Leutnants hatten sie daran hindern konnen.
Der Ausguck rief:»Zwei Fregatten, Sir! Dem Aussehen nach Spanier!»
Bolitho stockte der Atem, alle sahen ihn an. Irgendwie hatte er geahnt, da? Haven mit der Hyperion nicht rechtzeitig kommen und ihm helfen wurde. Es mutete wie ein Witz an, da? er ihm selbst einen ehrenvollen Ausweg eroffnet hatte.
Parris sagte gleichmutig:»Nun, wie man hort, ist die See unter unserm Kiel zwei Meilen tief. Die Dons kriegen das Gold nicht wieder, es sei denn, da? sie so tief tauchen konnen. «Niemand lachte.
Bolitho schaute Parris an. Die Entscheidung liegt allein bei mir, dachte er. Sollte Thor sie und das Gold an Bord nehmen? Da sie nur noch die Halfte der Boote verfugbar hatten, wurde das zu lange dauern. Sollte man das gro?e Schiff mit all seinen Schatzen anbohren und auf Thor fliehen, in der Hoffnung, die Fregatten aussegeln zu konnen, wenigstens bis zum Anbruch der Nacht?
Ein Sieg, der sozusagen in die Binsen ging.
Jenour trat naher.»Laker ist eben gestorben, Sir.»
Bolitho drehte sich mit blitzenden Augen um.»Fur wen — das wollten Sie doch fragen? Mussen jetzt alle sterben, nur wegen der Arroganz eines Vizeadmirals?»
Uberraschenderweise wich Jenour nicht zuruck.»Lassen Sie uns kampfen, Sir Richard.»
Bolitho lie? die Arme fallen.»Mein Gott, Stephen, Sie meinen es wirklich ernst, wie?«Er lachelte, sein Arger war verraucht.»Aber ich will nicht, da? noch mehr sterben. «Sein Blick ging zum Horizont. »Thor soll beidrehen, dann holt die Gefangenen an Deck.»
Der Ausguck schrie:»Zwei spanische Fregatten und ein anderes Segel dahinter!»
Parris murmelte:»Allmachtiger Gott! Na, Mr. Hei?sporn, wollen Sie noch immer kampfen?»
Statt einer Antwort griff Jenour zum Degen. Das sagte mehr als alle Worte.
Allday beobachtete die Offiziere und versuchte auszuloten, was falsch gelaufen war. Nicht das Scheitern allein bedruckte Bolitho, eher schon, da? die alte Hyperion ihn im Stich gelassen hatte. Allday knirschte mit den Zahnen. Wenn er jemals wieder den Hafen erreichte, wurde er mit dem verdammten Haven ein fur allemal abrechnen, und das mit Schwung obendrein.
Bolitho mu?te es die ganze Zeit geahnt haben. Warum sonst hatte er den alten Degen fur Adam an Bord zuruckgelassen?
Allday fuhlte einen Schauder im Rucken. Auch er hatte es wissen mussen.
Alle starrten in die Hohe, als der bis dahin vergessene Vormastausguck brullte:»Segel in Nordost, Sir!»
Bolitho verschrankte die Finger. Das neue Schiff war aufgekommen, als aller Augen auf die anderen gerichtet waren. Er sagte:»Entern Sie auf, Stephen. Mit einem Glas.»
Jenour zogerte einige Sekunden, als denke er nach. Dann aber war er auch schon fort und zog sich bald Hand uber Hand an den Vorwanten empor, wo er sich zum Ausguck auf die unsichere Sitzstange der Saling gesellte.
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