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Reineke Fuchs - Goethe Johann Wolfgang - Страница 19
Neunter Gesang
Reineke war nach Hofe gelangt, er dachte die Klagen
Abzuwenden, die ihn bedrohten. Doch als er die vielen
Feinde beisammen erblickte, wie alle standen und alle
Sich zu rachen begehrten und ihn am Leben zu strafen,
Fiel ihm der Mut; er zweifelte nun, doch ging er mit Kuhnheit
Grade durch alle Baronen, und Grimbart ging ihm zur Seite.
Sie gelangten zum Throne des Konigs, da lispelte Grimbart:
Seid nicht furchtsam Reineke, diesmal; gedenket: dem Bloden
Wird das Gluck nicht zuteil, der Kuhne sucht die Gefahr auf
Und erfreut sich mit ihr; sie hilft ihm wieder entkommen.
Reineke sprach: Ihr sagt mir die Wahrheit, ich danke zum schonsten
Fur den herrlichen Trost, und komm ich wieder in Freiheit,
Werd ichs gedenken. Er sah nun umher, und viele Verwandte
Fanden sich unter der Schar, doch wenige Gonner, den meisten
Pflegt' er ubel zu dienen; ja, unter den Ottern und Bibern,
Unter Gro?en und Kleinen trieb er sein schelmisches Wesen.
Doch entdeckt' er noch Freunde genug im Saale des Konigs.
Reineke kniete vorm Throne zur Erden und sagte bedachtig:
Gott, dem alles bekannt ist und der in Ewigkeit machtig
Bleibt, bewahr Euch, mein Herr und Konig, bewahre nicht minder
Meine Frau, die Konigin, immer, und beiden zusammen
Geb er Weisheit und gute Gedanken, damit sie besonnen
Recht und Unrecht erkennen; denn viele Falschheit ist jetzo
Unter den Menschen im Gange. Da scheinen viele von au?en,
Was sie nicht sind. O hatte doch jeder am Vorhaupt geschrieben,
Wie er gedenkt, und sah es der Konig! da wurde sich zeigen,
Da? ich nicht luge und da? ich Euch immer zu dienen bereit bin.
Zwar verklagen die Bosen mich heftig; sie mochten mir gerne
Schaden und Eurer Huld mich berauben, als war ich derselben
Unwert. Aber ich kenne die strenge Gerechtigkeitsliebe
Meines Konigs und Herrn, denn ihn verleitete keiner
Je, die Wege des Rechtes zu schmalern; so wird es auch bleiben.
Alles kam und drangte sich nun, ein jeglicher mu?te
Reinekens Kuhnheit bewundern, es wunscht' ihn jeder zu horen;
Seine Verbrechen waren bekannt, wie wollt er entrinnen?
Reineke, Bosewicht! sagte der Konig: fur diesmal erretten
Deine losen Worte dich nicht, sie helfen nicht langer
Lugen und Trug zu verkleiden, nun bist du ans Ende gekommen.
Denn du hast die Treue zu mir, ich glaube, bewiesen
Am Kaninchen und an der Krahe! Das ware genugsam.
Aber du ubest Verrat an allen Orten und Enden;
Deine Streiche sind falsch und behende, doch werden sie nicht mehr
Lange dauern, denn voll ist das Ma?, ich schelte nicht langer.
Reineke dachte: Wie wird es mir gehn? O hatt ich nur wieder
Meine Behausung erreicht! Wo will ich Mittel ersinnen?
Wie es auch geht, ich mu? nun hindurch, versuchen wir alles.
Machtiger Konig, edelster Furst! so lie? er sich horen:
Meint Ihr, ich habe den Tod verdient, so habt Ihr die Sache
Nicht von der rechten Seite betrachtet; drum bitt ich, Ihr wollet
Erst mich horen. Ich habe ja sonst Euch nutzlich geraten,
In der Not bin ich bei Euch geblieben, wenn etliche wichen,
Die sich zwischen uns beide nun stellen zu meinem Verderben
Und die Gelegenheit nutzen, wenn ich entfernt bin. Ihr moget,
Edler Konig, hab ich gesprochen, die Sache dann schlichten;
Werd ich schuldig befunden, so mu? ich es freilich ertragen.
Wenig habt Ihr meiner gedacht, indes ich im Lande
Vieler Orten und Enden die sorglichste Wache gehalten.
Meint Ihr, ich ware nach Hofe gekommen, wofern ich mich schuldig
Wu?te gro?- oder kleiner Vergehn? Ich wurde bedachtig
Eure Gegenwart fliehn und meine Feinde vermeiden.
Nein, mich hatten gewi? aus meiner Feste nicht sollen
Alle Schatze der Welt hierher verleiten; da war ich
Frei auf eigenem Grund und Boden. Nun bin ich mir aber
Keines Ubels bewu?t, und also bin ich gekommen.
Eben stand ich, Wache zu halten; da brachte mein Oheim
Mir die Zeitung, ich solle nach Hof. Ich hatte von neuem,
Wie ich dem Bann mich entzoge, gedacht, daruber mit Martin
Vieles gesprochen, und er gelobte mir heilig, er wolle
Mich von dieser Burde befrein. Ich werde nach Rom gehn,
Sagt' er, und nehme die Sache von nun an vollig auf meine
Schultern, geht nur nach Hofe, des Bannes werdet Ihr ledig.
Sehet, so hat mir Martin geraten, er mu? es verstehen:
Denn der vortreffliche Bischof, Herr Ohnegrund, braucht ihn bestandig;
Schon funf Jahre dient er demselben in rechtlichen Sachen.
Und so kam ich hieher und finde Klagen auf Klagen.
Das Kaninchen, der Augler, verleumdet mich; aber es steht nun
Reineke hier: so tret er hervor mir unter die Augen!
Denn es ist freilich was leichtes, sich uber Entfernte beklagen
Aber man soll den Gegenteil horen, bevor man ihn richtet.
Diese falschen Gesellen, bei meiner Treue! sie haben
Gutes genossen von mir, die Krahe mit dem Kaninchen:
Denn vorgestern am Morgen in aller Fruhe begegnet'
Mir das Kaninchen und gru?te mich schon; ich hatte soeben
Vor mein Schlo? mich gestellt und las die Gebete des Morgens.
Und er zeigte mir an, er gehe nach Hofe; da sagt ich:
Gott begleit Euch! Er klagte darauf. Wie hungrig und mude
Bin ich geworden! Da fragt ich ihn freundlich: Begehrt Ihr zu essen?
Dankbar nehm ich es an, versetzt' er. Aber ich sagte:
Geb ichs doch gerne. So ging ich mit ihm und bracht ihm behende
Kirschen und Butter: ich pflege kein Fleisch am Mittwoch zu essen.
Und er sattigte sich mit Brot und Butter und Fruchten.
Aber es trat mein Sohnchen, das jungste, zum Tische, zu sehen,
Ob was ubriggeblieben: denn Kinder lieben das Essen;
Und der Knabe haschte darnach. Da schlug das Kaninchen
Hastig ihn uber das Maul, es bluteten Lippen und Zahne.
Reinhart, mein andrer, sah die Begegnung und fa?te den Augler
Grad an der Kehle, spielte sein Spiel und rachte den Bruder.
Das geschah, nicht mehr und nicht minder. Ich saumte nicht lange,
Lief und strafte die Knaben und brachte mit Muhe die beiden
Auseinander. Kriegt er was ab, so mag er es tragen,
Denn er hatte noch mehr verdient; auch waren die Jungen,
Hatt ich es ubel gemeint, mit ihm wohl fertig geworden.
Und so dankt er mir nun! Ich ri? ihm, sagt er, ein Ohr ab;
Ehre hat er genossen und hat ein Zeichen behalten.
Ferner kam die Krahe zu mir und klagte: die Gattin
Hab er verloren, sie habe sich leider zu Tode gegessen,
Einen ziemlichen Fisch mit allen Graten verschlungen;
Wo es geschah, das wei? er am besten. Nun sagt er: ich habe
Sie gemordet; er tat es wohl selbst, und wurde man ernstlich
Ihn verhoren, durft ich es tun, er sprache wohl anders.
Denn sie fliegen, es reichet kein Sprung so hoch, in die Lufte.
Will nun solcher verbotenen Taten mich jemand bezuchten,
Tu ers mit redlichen, gultigen Zeugen: denn also gehort sichs,
Gegen edle Manner zu rechten; ich mu?t es erwarten.
Aber finden sich keine, so gibts ein anderes Mittel.
Hier! Ich bin zum Kampfe bereit! Man setze den Tag an
Und den Ort. Es zeige sich dann ein wurdiger Gegner,
Gleich mit mir von Geburt, ein jeder fuhre sein Recht aus.
Wer dann Ehre gewinnt, dem mag sie bleiben. So hat es
Immer zu Rechte gegolten, und ich verlang es nicht besser.
Alle standen und horten und waren uber die Worte
Reinekens hochlich verwundert, die er so trotzig gesprochen.
Und es erschraken die beiden, die Krahe mit dem Kaninchen,
Raumten den Hof und trauten nicht weiter ein Wortchen zu sprechen,
Gingen und sagten untereinander: Es ware nicht ratsam,
Gegen ihn weiter zu rechten. Wir mochten alles versuchen,
Und wir kamen nicht aus. Wer hats gesehen? Wir waren
Ganz allein mit dem Schelm; wer sollte zeugen? Am Ende
Bleibt der Schaden uns doch. Fur alle seine Verbrechen
Warte der Henker ihm auf und lohn ihm, wie ers verdiente!
Kampfen will er mit uns? das mocht uns ubel bekommen.
Nein, furwahr, wir lassen es lieber. Denn falsch und behende,
Lose und tuckisch kennen wir ihn. Es waren ihm wahrlich
Unser funfe zu wenig, wir mu?ten es teuer bezahlen.
Isegrim aber und Braunen war ubel zumute; sie sahen
Ungern die beiden von Hofe sich schleichen. Da sagte der Konig:
Hat noch jemand zu klagen, der komme! La?t uns vernehmen!
Gestern drohten so viele, hier steht der Beklagte! wo sind sie?
Reineke sagte: So pflegt es zu gehn, man klagt und beschuldigt
Diesen und jenen; doch stunde er dabei, man bliebe zu Hause.
Diese losen Verrater, die Krahe mit dem Kaninchen,
Hatten mich gern in Schande gebracht und Schaden und Strafe,
Aber sie bitten mirs ab, und ich vergebe; denn freilich,
Da ich komme, bedenken sie sich und weichen zur Seite.
Wie beschamt ich sie nicht! Ihr sehet, wie es gefahrlich
Ist, die losen Verleumder entfernter Diener zu horen;
Sie verdrehen das Rechte und sind den Besten gehassig.
Andre dauern mich nur, an mir ist wenig gelegen.
Hore mich, sagte der Konig darauf: du loser Verrater!
Sage, was trieb dich dazu, da? du mir Lampen, den treuen,
Der mir die Briefe zu tragen pflegte, so schmahlich getotet?
Hatt ich nicht alles vergeben, so viel du immer verbrochen?
Ranzel und Stab empfingst du von mir, so warst du versehen,
Solltest nach Rom und uber das Meer; ich gonnte dir alles,
Und ich hoffte Be?rung von dir. Nun seh ich zum Anfang,
Wie du Lampen gemordet; es mu?te Bellyn dir zum Boten
Dienen, der brachte das Haupt im Ranzel getragen und sagte
Offentlich aus, er bringe mir Briefe, die ihr zusammen
Ausgedacht und geschrieben, er habe das Beste geraten.
Und im Ranzel fand sich das Haupt, nicht mehr und nicht minder.
Mir zum Hohne tatet ihr das. Bellynen behielt ich
Gleich zum Pfande, sein Leben verlor er; nun geht es an deines.
Reineke sagte: Was hor ich? Ist Lampe tot? und Bellynen
Find ich nicht mehr? Was wird nun aus mir? O war ich gestorben!
Ach, mit beiden geht mir ein Schatz, der gro?te, verloren!
Denn ich sandt Euch durch sie Kleinode, welche nicht besser
Uber der Erde sich finden. Wer sollte glauben, der Widder
Wurde Lampen ermorden und Euch der Schatze berauben?
Hute sich einer, wo niemand Gefahr und Tucke vermutet.
Zornig horte der Konig nicht aus, was Reineke sagte,
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