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Reineke Fuchs - Goethe Johann Wolfgang - Страница 1
Erster Gesang
Pfingsten, das liebliche Fest, war gekommen! es grunten und bluhten
Feld und Wald; auf Hugeln und Hohn, in Buschen und Hecken
Ubten ein frohliches Lied die neuermunterten Vogel;
Jede Wiese spro?te von Blumen in duftenden Grunden,
Festlich heiter glanzte der Himmel und farbig die Erde.
Nobel, der Konig, versammelt den Hof; und seine Vasallen
Eilen gerufen herbei mit gro?em Geprange; da kommen
Viele stolze Gesellen von allen Seiten und Enden,
Lutke, der Kranich, und Markart, der Haher, und alle die Besten.
Denn der Konig gedenkt mit allen seinen Baronen
Hof zu halten in Feier und Pracht; er la?t sie berufen
Alle miteinander, so gut die Gro?en als Kleinen.
Niemand sollte fehlen! und dennoch fehlte der Eine,
Reineke Fuchs, der Schelm! der viel begangenen Frevels
Halben des Hofs sich enthielt. So scheuet das bose Gewissen
Licht und Tag, es scheute der Fuchs die versammelten Herren.
Alle hatten zu klagen, er hatte sie alle beleidigt,
Und nur Grimbart, den Dachs, den Sohn des Bruders, verschont' er.
Isegrim aber, der Wolf, begann die Klage; von allen
Seinen Vettern und Gonnern, von allen Freunden begleitet,
Trat er vor den Konig und sprach die gerichtlichen Worte:
Gnadigster Konig und Herr! vernehmet meine Beschwerden.
Edel seid Ihr und gro? und ehrenvoll, jedem erzeigt Ihr
Recht und Gnade: so la?t Euch denn auch des Schadens erbarmen,
Den ich von Reineke Fuchs mit gro?er Schande gelitten.
Aber vor allen Dingen erbarmt Euch, da? er mein Weib so
Freventlich ofters verhohnt und meine Kinder verletzt hat.
Ach! er hat sie mit Unrat besudelt, mit atzendem Unflat,
Da? mir zu Hause noch drei in bittrer Blindheit sich qualen.
Zwar ist alle der Frevel schon lange zur Sprache gekommen,
Ja, ein Tag war gesetzt, zu schlichten solche Beschwerden;
Er erbot sich zum Eide, doch bald besann er sich anders
Und entwischte behend nach seiner Feste. Das wissen
Alle Manner zu wohl, die hier und neben mir stehen.
Herr! ich konnte die Drangsal, die mir der Bube bereitet,
Nicht mit eilenden Worten in vielen Wochen erzahlen.
Wurde die Leinwand von Gent, so viel auch ihrer gemacht wird,
Alle zu Pergament, sie fa?te die Streiche nicht alle,
Und ich schweige davon. Doch meines Weibes Entehrung
Fri?t mir das Herz; ich rache sie auch, es werde, was wolle.
Als nun Isegrim so mit traurigem Mute gesprochen,
Trat ein Hundchen hervor, hie? Wackerlos, redte franzosisch
Vor dem Konig: wie arm es gewesen und nichts ihm geblieben
Als ein Stuckchen Wurst in einem Wintergebusche;
Reineke hab auch das ihm genommen! Jetzt sprang auch der Kater
Hinze zornig hervor und sprach: Erhabner Gebieter,
Niemand beschwere sich mehr, da? ihm der Bosewicht schade,
Denn der Konig allein! Ich sag Euch, in dieser Gesellschaft
Ist hier niemand, jung oder alt, er furchtet den Frevler
Mehr als Euch! Doch Wackerlos' Klage will wenig bedeuten.
Schon sind Jahre vorbei, seit diese Handel geschehen;
Mir gehorte die Wurst! ich sollte mich damals beschweren.
Jagen war ich gegangen; auf meinem Wege durchsucht ich
Eine Muhle zu Nacht; es schlief die Mullerin; sachte
Nahm ich ein Wurstchen, ich will es gestehn; doch hatte zu dieser
Wackerlos irgendein Recht, so dankt' ers meiner Bemuhung.
Und der Panther begann: Was helfen Klagen und Worte!
Wenig richten sie aus, genug, das Ubel ist ruchtbar.
Er ist ein Dieb, ein Morder! Ich darf es kuhnlich behaupten,
Ja, es wissens die Herren, er ubet jeglichen Frevel.
Mochten doch alle die Edlen, ja selbst der erhabene Konig
Gut und Ehre verlieren: er lachte, gewann er nur etwa
Einen Bissen dabei von einem fetten Kapaune.
La?t Euch erzahlen, wie er so ubel an Lampen, dem Hasen,
Gestern tat; hier steht er! der Mann, der keinen verletzte.
Reineke stellte sich fromm und wollt ihn allerlei Weisen
Kurzlich lehren, und was zum Kaplan noch weiter gehoret,
Und sie setzten sich gegeneinander, begannen das Kredo.
Aber Reineke konnte die alten Tucken nicht lassen;
Innerhalb unsers Koniges Fried und freiem Geleite
Hielt er Lampen gefa?t mit seinen Klauen und zerrte
Tuckisch den redlichen Mann. Ich kam die Stra?e gegangen,
Horte beider Gesang, der, kaum begonnen, schon wieder
Endete. Horchend wundert ich mich, doch als ich hinzukam,
Kannt ich Reineken stracks, er hatte Lampen beim Kragen;
Ja, er hatt ihm gewi? das Leben genommen, wofern ich
Nicht zum Glucke des Wegs gekommen ware. Da steht er!
Seht die Wunden an ihm, dem frommen Manne, den keiner
Zu beleidigen denkt. Und will es unser Gebieter,
Wollt ihr Herren es leiden, da? so des Koniges Friede,
Sein Geleit und Brief von einem Diebe verhohnt wird,
O, so wird der Konig und seine Kinder noch spaten
Vorwurf horen von Leuten, die Recht und Gerechtigkeit lieben.
Isegrim sagte darauf. So wird es bleiben, und leider
Wird uns Reineke nie was Gutes erzeigen. O! lag er
Lange tot, das ware das beste fur friedliche Leute;
Aber wird ihm diesmal verziehn, so wird er in kurzem
Etliche kuhnlich berucken, die nun es am wenigsten glauben.
Reinekens Neffe, der Dachs, nahm jetzt die Rede, und mutig
Sprach er zu Reinekens Bestem, so falsch auch dieser bekannt war.
Alt und wahr, Herr Isegrim! sagt' er, beweist sich das Sprichwort:
Feindes Mund frommt selten. So hat auch wahrlich mein Oheim
Eurer Worte sich nicht zu getrosten. Doch ist es ein leichtes.
War er hier am Hofe so gut als Ihr, und erfreut' er
Sich des Koniges Gnade, so mocht es Euch sicher gereuen,
Da? Ihr so hamisch gesprochen und alte Geschichten erneuert.
Aber was Ihr Ubels an Reineken selber verubet,
Ubergeht Ihr; und doch, es wissen es manche der Herren,
Wie Ihr zusammen ein Bundnis geschlossen und beide versprochen,
Als zwei gleiche Gesellen zu leben. Das mu? ich erzahlen;
Denn im Winter einmal erduldet' er gro?e Gefahren
Euretwegen. Ein Fuhrmann, er hatte Fische geladen,
Fuhr die Stra?e, Ihr spurtet ihn aus und hattet um alles
Gern von der Ware gegessen; doch fehlt' es Euch leider am Gelde.
Da beredetet Ihr den Oheim, er legte sich listig
Grade fur tot in den Weg. Es war, beim Himmel, ein kuhnes
Abenteuer! Doch merket, was ihm fur Fische geworden.
Und der Fuhrmann kam und sah im Gleise den Oheim,
Hastig zog er sein Schwert, ihm eins zu versetzen; der Kluge
Ruhrt' und regte sich nicht, als war er gestorben; der Fuhrmann
Wirft ihn auf seinen Karrn und freut sich des Balges im voraus.
Ja, das wagte mein Oheim fur Isegrim; aber der Fuhrmann
Fuhr dahin, und Reineke warf von den Fischen herunter.
Isegrim kam von ferne geschlichen, verzehrte die Fische.
Reineken mochte nicht langer zu fahren belieben; er hub sich,
Sprang vom Karren und wunschte nun auch von der Beute zu speisen.
Aber Isegrim hatte sie alle verschlungen; er hatte
Uber Not sich beladen, er wollte bersten. Die Graten
Lie? er allein zuruck und bot dem Freunde den Rest an.
Noch ein anderes Stuckchen! auch dies erzahl ich Euch wahrhaft.
Reineken war es bewu?t, bei einem Bauer am Nagel
Hing ein gemastetes Schwein, erst heute geschlachtet; das sagt' er
Treu dem Wolfe: sie gingen dahin, Gewinn und Gefahren
Redlich zu teilen. Doch Muh und Gefahr trug jener alleine.
Denn er kroch zum Fenster hinein und warf mit Bemuhen
Die gemeinsame Beute dem Wolf herunter; zum Ungluck
Waren Hunde nicht fern, die ihn im Hause verspurten
Und ihm wacker das Fell zerzausten. Verwundet entkam er,
Eilig sucht' er Isegrim auf und klagt' ihm sein Leiden
Und verlangte sein Teil. Da sagte jener: Ich habe
Dir ein kostliches Stuck verwahrt, nun mache dich druber
Und benage mirs wohl; wie wird das Fette dir schmecken!
Und er brachte das Stuck, das Krummholz war es, der Schlachter
Hatte daran das Schwein gehangt; der kostliche Braten
War vom gierigen Wolfe, dem ungerechten, verschlungen.
Reineke konnte vor Zorn nicht reden, doch was er sich dachte,
Denket euch selbst. Herr Konig, gewi?, da? hundert und druber
Solcher Stuckchen der Wolf an meinem Oheim verschuldet!
Aber ich schweige davon. Wird Reineke selber gefordert,
Wird er sich besser verteidigen. Indessen, gnadigster Konig,
Edler Gebieter, ich darf es bemerken: Ihr habet, es haben
Diese Herren gehort, wie toricht Isegrims Rede
Seinem eignen Weibe und ihrer Ehre zu nah tritt,
Die er mit Leib und Leben beschutzen sollte. Denn freilich
Sieben Jahre sinds her und druber, da schenkte mein Oheim
Seine Lieb und Treue zum guten Teile der schonen
Frauen Gieremund; solches geschah beim nachtlichen Tanze;
Isegrim war verreist, ich sag es, wie mirs bekannt ist.
Freundlich und hoflich ist sie ihm oft zu Willen geworden,
Und was ist es denn mehr? Sie bracht es niemals zur Klage,
Ja, sie lebt und befindet sich wohl, was macht er fur Wesen?
War er klug, so schwieg' er davon, es bringt ihm nur Schande.
Weiter sagte der Dachs: Nun kommt das Marchen vom Hasen!
Eitel leeres Gewasche! Den Schuler sollte der Meister
Etwa nicht zuchtigen, wenn er nicht merkt und ubel bestehet?
Sollte man nicht die Knaben bestrafen, und ginge der Leichtsinn,
Ginge die Unart so hin, wie sollte die Jugend erwachsen?
Nun klagt Wackerlos, wie er ein Wurstchen im Winter verloren
Hinter der Hecke; das sollt er nur lieber im stillen verschmerzen,
Denn wir horen es ja, sie war gestohlen; zerronnen
Wie gewonnen; und wer kann meinem Oheim verargen,
Da? er gestohlenes Gut dem Diebe genommen? Es sollen
Edle Manner von hoher Geburt sich gehassig den Dieben
Und gefahrlich erzeigen. Ja, hatt er ihn damals gehangen,
War es verzeihlich. Doch lie? er ihn los, den Konig zu ehren;
Denn am Leben zu strafen, gehort dem Konig alleine.
Aber wenigen Danks kann sich mein Oheim getrosten,
So gerecht er auch sei und Ubeltaten verwehret.
Denn seitdem des Koniges Friede verkundiget worden,
Halt sich niemand wie er. Er hat sein Leben verandert,
Speiset nur einmal des Tags, lebt wie ein Klausner, kasteit sich,
Tragt ein harenes Kleid auf blo?em Leibe und hat schon
Lange von Wildbret und zahmem Fleische sich ganzlich enthalten,
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