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Admiral Bolithos Erbe: Ein Handstreich in der Biskaya - Kent Alexander - Страница 26
Alles war schon schlimm genug, aber da? die elende Kutsche auch noch punktlich eingetroffen war, ausgerechnet an diesem Abend, das machte es fur Herrick noch schwerer.
Neben dem Hoftor blies ein einbeiniger Kruppel, muhsam auf einer primitiven Krucke balancierend, zum Vergnugen einiger Stra?enjungen und Passanten eine Melodie auf seiner Querpfeife. Er trug den roten Rock der Seesoldaten, und der dunklere Fleck auf dem abgewetzten Armel, wo einst der Winkel aufgenaht gewesen war, verriet Herrick, da? er einen alten Sergeanten vor sich hatte.
Er tastete nach ein paar Munzen in der Rocktasche und warf sie dem Kruppel in die Mutze, beschamt, peinlich beruhrt und vor allem wutend daruber, da? solch ein Mann so elend dahinvegetierte. Aber bis es endlich zum Friedensschlu? kommen wurde, mu?ten bestimmt noch viel mehr Rotrocke verkruppelt in den Stra?en betteln.
Doch der Mann lie? sich nicht aus der Ruhe bringen. Breit grinsend hob er die Hand an die Stirn und salutierte spottisch.
«Sergeant Tolcher, Sir. So geht's einem im Leben, wie, Kapitan?»
Herrick nickte bedruckt.»Von welchem Schiff?»
«Mein letztes, Sir? Das war die alte Culloden, unter Kapt'n Troubridge. War'n richtiger Gentleman, unser Kapt'n, jedenfalls fur einen Seeoffizier.»
Herrick hatte langst bei Dulcie sein mussen, aber irgend etwas hielt ihn hier zuruck. Dieser unbekannte Marinesoldat hatte an der Schlacht von Abukir teilgenommen, hatte wie er selbst und Bolitho vor der Nilmundung gekampft. Auf einem anderen Schiff zwar, aber immerhin.
«Viel Gluck, Kamerad. «Mit diesen Worten wandte Herrick sich ab und eilte zum Eingang.
Der Marinesoldat schob die Munzen in die Tasche und gramte sich, da? er einen guten Zuhorer verloren hatte. Aber dieser stammige Kapitan mit den auffallend blauen Augen hatte ihn fur manches entschadigt.
Au?erdem hatte er jetzt genug beisammen fur ein paar Kruge Bier mit den alten Kumpels unten im Volunteer. Der Ex-Sergeant der Culloden humpelte davon, wobei seine Krucke laut uber das Steinpflaster kratzte.
Als Herrick das Zimmer betrat, standen beide Frauen da und warteten, der Tur zugekehrt, als hatten sie seit Stunden auf demselben Fleck verharrt.
Er wandte sich zunachst an Dulcie.»Tut mir leid, Liebste, aber ich wurde aufgehalten. Neue Befehle.»
Die plotzlich in den Augen seiner Frau aufsteigende Furcht sah er nicht mehr, weil sich seine Aufmerksamkeit jetzt auf Belinda konzentrierte, die neben dem kalten Kamin stand.
Herrgott, wie schon sie ist, dachte er. Sie trug ein flaschengrunes Reisekleid und hatte das volle, kastanienbraune Haar mit einem passenden Band im Nacken zusammengebunden. Aber sie war bla?, die gro?en braunen Augen schienen das ganze Gesicht zu beherrschen, als sie fragte:»Gibt es Neuigkeiten, Thomas?»
Herrick war geruhrt von so viel Selbstbeherrschung und auch davon, da? sie ihn so selbstverstandlich mit seinem Vornamen ansprach.
«Nein, noch nicht«, antwortete er. Er ging zu einem kleinen Tisch, nahm ein Glas auf, stellte es wieder hin.»Aber Neuigkeiten brauchen eben ihre Zeit, bis sie eintreffen. Gute Neuigkeiten, meine ich.»
Endlich konnte er auf sie zugehen und ihre Hande in seine nehmen. In seinen harten Seemannspranken fuhlten sie sich sehr weich an — und sehr hilflos.
Leise sagte Belinda:»Dulcie hat mir berichtet, was Sie ihr geschrieben haben. Und einige Offiziere in der Gaststube unten haben davon gesprochen, da? ein Schiff untergegangen sei. Besteht noch Hoffnung?»
Sie hob den Blick zu ihm, so flehend, da? ihre au?ere Ruhe Lugen gestraft wurde.
Herrick seufzte.»Im Augenblick wissen wir noch viel zu wenig. Die Kuste dort ist ziemlich gefahrlich; soweit ich in Erfahrung bringen konnte, war es eine Kollision, moglicherweise mit einem Wrack, wonach Styx wegsackte und ziemlich schnell unterging.»
Inzwischen hatte Herrick die Szene im Geiste hundertmal nacherlebt, sogar bei der Kommandantenbesprechung, als er seinen Untergebenen die neuen Befehle erlautert hatte. Er wu?te nur zu gut, wie das Ungluck abgelaufen sein mu?te, schlie?lich hatte auch er schon ein Schiff verloren. Die Schreie, dazu das Krachen und
Knallen der brechenden Takelage gellten ihm noch im Ohr, er sah sie immer wieder vor sich, die Ertrinkenden: Manche starben lautlos, andere verfluchten Gott und die Welt und selbst den Namen ihrer Mutter, ehe die See ihnen den Mund verschlo?.
«Aber Ihr Richard hatte tuchtige Manner um sich«, fuhr er fort, um Belinda etwas zu beruhigen.»Allday wich bestimmt nicht von seiner Seite, und der junge Neale war ein erstklassiger Kapitan.»
Belinda warf Dulcie einen schnellen Blick zu.»Wer wird es seinem Neffen sagen?»
Sehr sanft lie? Herrick ihre Hande los.»Das ist nicht notwendig. Adam war selbst dort. An Bord des Schiffes, das. «Gerade noch rechtzeitig verschluckte er den Rest des Satzes.»Adam war auf Phalarope, die das Flaggschiff begleitete.»
Dulcie Herrick griff sich an die Brust.»Gott helfe dem Jungen.»
«Aye. Es mu? furchtbar fur ihn sein.»
Belinda Laidlaw setzte sich — zum erstenmal, seit sie aus der Postkutsche gestiegen war.
«Kapitan Herrick. «Sie rang sich ein Lacheln ab.»Oder besser: Thomas. Denn Sie sind sein Freund und jetzt, so hoffe ich, auch meiner. Also, Thomas, was ist Ihrer Ansicht nach geschehen?»
Herrick spurte, da? seine Frau ihm ein Glas Wein in die Hand druckte, und warf ihr einen dankbaren Blick zu.
Dann sagte er:»Richard ist insgeheim immer ein Fregattenkapitan geblieben. Wenn es nur nach ihm ginge, wurde er ohne gro?en Zeitverlust den Feind stellen und angreifen. Aber als kommandierender Konteradmiral hatte er andere Verpflichtungen. Er mu?te Admiral Beauchamps Plane in die Tat umsetzen und die wachsende Gefahr einer Invasion Englands abwenden. Nur das war seine Aufgabe. «Um Verstandnis bittend sah er Belinda an.»Mein Gott, Ma'am, wenn Sie wu?ten, wie er sich gegramt hat, was es ihn gekostet hat, so schnell wieder in See zu stechen, ohne Sie auch nur gesehen zu haben, ohne Ihnen alles erklaren zu konnen. Als wir uns das letztemal sahen, war sein gro?ter Kummer das Leid, das er
Ihnen antun mu?te. Aber wenn Sie Richard wirklich kennen«, sagte er abschlie?end und mit Nachdruck,»dann werden Sie verstehen, da? seine Ehre ihm genauso wichtig ist wie seine Liebe zu Ihnen.»
Sie nickte mit feuchten Augen.»Das wei? ich nur zu gut und mochte es auch gar nicht anders. Obwohl wir uns erst letztes Jahr kennengelernt haben. Und in der ganzen Zeit seither war ich immer nur wenige Tage mit ihm zusammen. Wie ich Sie beneide, Thomas, da? Sie so vieles gemeinsam mit ihm erleben durften, da? Sie so viele Erinnerungen teilen, die mir immer fremd bleiben werden. «Sie schuttelte den Kopf, wobei ihr das lange Haar uber die Schulter fiel.»Nein, Thomas, ich werde ihn niemals aufgeben. Und jetzt schon gar nicht.»
Tranen rannen ihr uber die Wangen, aber als Dulcie und Herrick trostend auf sie zukamen, wehrte sie ab.»Nein, nein, danke, es ist schon gut. Ich werde nicht in Selbstmitleid schwelgen, wenn Richard mich braucht.»
Herrick konnte sie nur anstarren.»Ihre Worte warmen mir das Herz, Ma'am. Aber erhoffen Sie sich nicht zuviel, versprechen Sie mir das. Sonst konnten Sie die Enttauschung nicht ertragen.»
«Zuviel erhoffen?«Sie ging zu den offenen Fensterturen hinuber, eine schmale Silhouette vor See und Himmel, und trat auf den Balkon hinaus.»Das ware mir gar nicht moglich. Richard ist das einzige, wofur ich lebe. Alles andere ist mir unwichtig geworden, lieber Freund.»
Herrick spurte, da? Dulcie nach seiner Hand griff, und erwiderte den leichten Druck. Belinda mu?te sich aus eigener Kraft wieder fangen, und ob sie es schaffen konnte, wurde nur die Zeit erweisen.
Er sah auf seine Frau hinab, als sie flusterte:»Du hast vorhin von neuen Befehlen gesprochen, Thomas?»
«Vergib mir, Liebste. Ich war in Gedanken ganz bei diesem Ungluck hier. «Mit einem Blick auf Belinda, die ins Zimmer zuruckkehrte, fuhr er fort:»Ich habe Befehl erhalten, einen Konvoi aus Handelsschiffen nach Gibraltar zu eskortieren. Soweit ich wei?, sind es Schiffe mit ziemlich wertvollen Ladungen, die auch in Friedenszeiten verlockende Prisen waren.»
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