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Der Piratenfurst: Fregattenkapitan Bolitho in der Java-See - Kent Alexander - Страница 9
Herrick warf ein:»Es wird nicht ganz leicht sein, sich daran zu gewohnen. Aber wenn man wieder auf See ist, noch dazu mit einem Schiff wie der Undine, dann ist alles andere mehr oder weniger gleichgultig.»
Bolitho nickte.»Wir mussen unbedingt dafur sorgen, da? unsere Mannschaft allen Eventualitaten gewachsen ist, ob in Frieden oder Krieg. Und zwar bald. Dort, wo wir hinfahren, sind die Menschen vielleicht nicht sonderlich geneigt, unsere Ansichten zu akzeptieren. «Er setzte sich auf die Bank und starrte durch das bespritzte Fenster.»Ich werde mit den anderen Offizieren morgen fruh um acht Glasen[8] sprechen, wahrend Sie auf den Gefangnishulken sind. «Herrick machte eine unwillige Kopfbewegung, aber Bolitho lachelte nur.»Ich schicke Sie, weil Sie Verstandnis haben. Sie werden den armen Kerlen keine Todesangste einjagen. «Er stand auf.»Und jetzt, Thomas, trinken wir ein Glas Wein zusammen.»
Herrick beugte sich vor.»Sie haben sich gewi? eine feine Sorte aus London schicken lassen, Sir.»
Bolitho schuttelte den Kopf.»Die Marke werden wir uns fur andere Gelegenheiten aufheben. «Er nahm eine Karaffe von ihrem Stander.»Der hier pa?t besser zu uns. «In behaglichem Schweigen tranken sie ihren Rotwein. Bolitho uberlegte sich, wie merkwurdig es war, da? man so ruhig zusammensa?, obwohl die Reise, die sie vor sich hatten, so gro?e Anforderungen an alle stellte. Aber es war sinnlos, jetzt an Deck herumzulaufen oder im Proviant- und Rumvorrat herumzustobern. Die Undine war seeklar, bereit bis auf den letzten Tampen. Er dachte an sein Offizierskorps, den verlangerten Arm seiner Autoritat und seiner Ideen. Er wu?te noch nicht viel von seinen Offizieren. Soames war ein tuchtiger Leutnant, neigte aber zur Grobheit, wenn etwas nicht gleich klappte. Der nachsthohere, Davy, war schwerer zu beurteilen. Au?erlich kuhl und beherrscht, besa? er wie viele seinesgleichen einen Hang zu rucksichtsloser Harte. Der Segelmeister und Steuermann hie? Ezekiel Mudge, ein klobiger Mann, der so alt aussah, da? er sein eigener Gro?vater hatte sein konnen. Tatsachlich war er sechzig, bestimmt der alteste Segelmeister, dem Bolitho je begegnet war. Der alte Mudge wurde einer der wichtigsten Manner an Bord sein, wenn sie erst im Indischen Ozean waren. Er hatte fruher bei der East India Company gedient und, wenn man seinen Berichten Glauben schenken konnte, mehr Sturme, Schiffbruche, Piratenuberfalle und sonstige Abenteuer mitgemacht als irgendein anderer lebendender Mensch. Er hatte eine machtige Adlernase, neben der seine Augen wie winzige blanke Steine funkelten. Eine wichtige Personlichkeit, der bestimmt kein Fehler in der Seemannschaft seines Kapitans entging.
Die drei Fahnriche schienen guter Durchschnitt zu sein. Penn, der jungste, war drei Tage nach seinem zwolften Geburtstag an Bord gekommen. Keen und Armitage waren beide siebzehn; aber wahrend der erste die gleiche elegante Sorglosigkeit wie Leutnant Davy an den Tag legte, schien sich Armitage standig scheu umzublicken: ein Muttersohnchen. Und vier Tage, nachdem er sich in brandneuer Uniform mit blankgeputztem Dolch zum Dienst gemeldet hatte, war doch tatsachlich seine Mutter nach Portsmouth gekommen, um ihn zu besuchen. Ihr Mann hatte betrachtlichen Einflu?; und sie fuhr in einer wunderschonen Kutsche auf der Werft vor, wie eine Herzogin auf Staatsvisite. Bolitho hatte sie kurz begru?t und ihr gestattet, sich mit ihrem Sohn in der Abgeschlossenheit der Offiziersmesse zu unterhalten. Hatte sie das Logis gesehen, in dem ihr Kind wahrend seiner Dienstzeit leben mu?te, ware sie wahrscheinlich in Ohnmacht gefallen. Schlie?lich hatte er Herrick schicken mussen, um den Umarmungen und Schluchzern der Mama unter dem Vorwand, Armitage wurde dienstlich gebraucht, ein Ende zu bereiten. Dienstlich! Der Junge konnte kaum einen Schritt an Bord tun, ohne uber einen Block oder Ringbolzen zu stolpern und lang hinzufallen.
Giles Bellairs, der stets wohlgelaunte Hauptmann der Seesoldaten, glich mehr einer Karikatur als einem Offizier aus Fleisch und Blut. Unglaublich stramm, mit immer steif nach hinten gedruckten Schultern, sah er aus, als sei ihm die Uniform wie buntes Wachs um die Glieder gegossen. Er sprach in kurzen, abgehackten Satzen, und nur von der Jagd oder vom Exerzieren. Seine Seesoldaten waren sein Lebensinhalt, doch horte man nur selten ein Kommando von ihm. Sein bulliger Sergeant namens Coaker hatte die Abteilung fest im Griff; und Bellairs begnugte sich mit einem gelegentlichen:»Weitermachen, Sa'rnt Coaker!«oder:»Sa'rnt Coaker, der Kerl steht ja die wie'n Sack Lumpen!«Er gehorte zu den wenigen Menschen in Bolithos Bekanntschaft, die total betrunken sein konnten, ohne da? sich in ihrem au?eren Erscheinungsbild auch nur das geringste anderte.
Triphook, der Zahlmeister, schien sehr tuchtig zu sein, wenn auch recht geizig mit den Rationen. Er hatte viel Muhe auf die Uberprufung verwandt, ob die unteren Lagen der vom Proviantamt gelieferten Fasser nicht etwa verfaultes Fleisch enthielten, was man sonst erst viel spater auf hoher See entdeckt hatte. Solche Sorgfalt war bei einem Zahlmeister an sich schon selten.
Aber der Schiffsarzt! Der war jetzt zwei Wochen an Bord. Hatte Bolitho ihn austauschen konnen, so hatte er es bestimmt getan. Whitmarsh war ein Trinker der schlimmsten Sorte. Nuchtern war er ruhig und sogar liebenswurdig. Aber betrunken, und das kam oft vor, schien er in Fetzen zu gehen wie ein murbes Segel in einer Fallbo. Whitmarsh mu?te lernen, sich vernunftig zu benehmen, dachte Bolitho mit zusammengebissenen Zahnen.
Oben horte man Fu?getrappel, und Herrick meinte:»Heute wird sich der eine oder andere im Mannschaftslogis uberlegen, ob er recht daran getan hat, anzumustern. «Er lachte.»Na, jetzt ist es auf alle Falle zu spat.»
Bolitho starrte achteraus auf das schwarze, wirbelnde Wasser und lauschte auf den Ebbstrom, der das Ruder knarren lie?.»Aye. Es ist ein weiter Schritt vom Land auf die See. Viel weiter, als es sich die meisten Leute vorstellen. «Er setzte sein
Weinglas auf das Regal zuruck.»Ich glaube, ich gehe jetzt schlafen. Morgen ist ein langer Tag.»
Herrick nickte.»Dann also gute Nacht, Sir. «Er wu?te aber genau, da? Bolitho noch stundenlang aufbleiben wurde, rastlos planend, nach den letzten Fehlern suchend, nach Irrtumern in Wach- und Dienstplanen. Und Bolitho ahnte, da? Herrick das wu?te.
Die Tur fiel hinter dem Leutnant zu, Bolitho schritt zum Heckfenster und stutzte die Hande auf das mittlere Fensterbrett. Er spurte unter seinen Handflachen das Erzittern des Holzes, das Arbeiten aller Verbindungen, das Klappern und Schlagen der Taljen und Blocke.
Wurde jemand dem Schiff nachschauen? Aber wen interessierte das schon? Die Undine war nur ein Schiff mehr, das in den Kanal einlief, wie Hunderte vor ihr.
Ein schuchternes Klopfen an der Tur, und Noddall, der Kajutsteward, trat unsicheren Schrittes ins Helle: ein kleiner Mann, spitzgesichtig wie ein angstliches Nagetier. Er hielt sogar standig die Hande in Brusthohe und erinnerte so noch mehr an ein schuchternes Eichhornchen.»Ihr Abendessen, Sir — Sie haben es gar nicht angeruhrt. «Er begann abzuraumen.»Das ist nicht gut, Sir. Gar nicht gut.»
Er schlurfte in seine Pantry, und Bolitho blickte ihm lachelnd nach. Wie versunken der Mann in seine eigene kleine Welt war — er schien kaum bemerkt zu haben, da? das Schiff einen neuen Kapitan besa?.
Bolitho warf sich den neuen Mantel um die Schultern und verlie? die Kajute. Auf dem stockdunklen Achterdeck tastete er sich zur Heckreling und starrte zum Land hinuber: zahllose Lichter in unsichtbaren Hausern. Er drehte sich um und blickte zum Vorschiff; der Wind wehte ihm die Haare ins Gesicht, es war so kalt, da? er den Atem anhielt. Bla?goldene Lichtreflexe glitten uber das straffgespannte Tauwerk: im Vorschiff blinkte die kleine Laterne der Ankerwache.
Es war ein entschieden angenehmes Gefuhl: sie brauchten hier keine Wachtposten an jedem Fallreep gegen heimtuckische Uberraschungsangriffe oder den Versuch einer Massendesertion. Auch keine Netze, um feindliche Enterer abzuhalten. Er legte die Hand auf einen der Achterdeck-Sechspfunder: kalt wie nasses Eis. Aber wie lange noch? Der Steuermannsmaat der Wache strich vorbei und machte einen Bogen, als er seinen Kapitan an der Reling stehen sah.
8
l Glas(en) = 1/2 Stunde. 8 Glasen = Ende einer vierstundigen Wache; hier also: zu Beginn der Morgenwache. Der Ausdruck stammt aus der Zeit der glasernen Sanduhren. Diese Zeitrechnung ist heute noch in der Seefahrt ublich (der Ubersetzer).
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