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Kanonenfutter - Leutnant Bolithos Handstreich in Rio - Kent Alexander - Страница 6
Bolitho eilte leicht benommen den Niedergang hinunter und durchs Achterschiff. Gesichter wurden im Halblicht zwischen den Decks undeutlich sichtbar, Gesprache verstummten, als er vorbeihastete. Der neue Offizier geht zum Kommandanten. Wie mag er sein?
Zu lasch — oder zu hart?
Ein Seesoldat stand, Muskete bei Fu?, als Ehrenposten vor der Kajute. Sein Oberkorper schwankte leicht im Rhythmus des an seiner Ankertrosse zerrenden Schiffes. Seine Augen funkelten im Lichtschein der Laterne, die an einem Decksbalken uber ihm hin und her schaukelte. Sie brannte Tag und Nacht, wenn der Kommandant an Bord war.
Bolitho bemuhte sich, wenigstens sein Halstuch etwas zurechtzu-zupfen und die rebellische Haartolle aus dem Gesicht zu streichen. Der Posten gab ihm dazu genau funf Sekunden Zeit, dann stie? er kurz mit der Muskete aufs Deck.»Der Dritte Offizier, Sir!»
Der Turvorhang offnete sich, und ein struppiger Mann in schwarzer Jacke, wahrscheinlich der Schreiber des Kommandanten, warf einen ungeduldigen, auffordernden Blick heraus: wie ein Lehrer, der einen zu spat kommenden Schuler hereinruft.
Bolitho pre?te seinen Hut fester unter den Arm und betrat die Kajute. Im Vergleich zum ubrigen Schiff war sie geraumig. Ein zweiter Vorhang trennte den hintersten Teil vom Speiseraum und der danebenliegenden Schlafkammer. Die schragen Heckfenster, welche die ganze Breite des Achterschiffs einnahmen, leuchteten warm in der Sonne, wahrend Decksbalken und Mobelstucke in dem vom Wasser reflektierten Licht schimmerten.
Kapitan Henry Vere Dumaresq hatte offenbar an einem Fenster gestanden und aufs Wasser hinuntergeschaut: er drehte sich ungewohnlich behende um, als Bolitho den Raum betrat.
Bolitho bemuhte sich, ruhig und entspannt zu wirken, aber es gelang ihm nicht. Solch einen Menschen wie den Kommandanten hatte er noch nie gesehen. Sein Korper war breit und untersetzt, und der Kopf sa? so dicht auf den Schultern, als hatte er keinen Hals; er wirkte genau wie der ubrige Mann: machtig. Alles an Dumaresq machte den Eindruck ungewohnlicher Kraft. Little hatte gesagt, der Kommandant sei erst achtundzwanzig, aber er sah so alterslos aus, als ob er sich nie verandert hatte und nie verandern wurde.
Er ging Bolitho entgegen, um ihn zu begru?en, und setzte dabei die Fu?e wie mit bewu?t gebandigter Kraft auf. Bolithos Blick fiel auf seine Beine, die durch teure wei?e Strumpfe auffielen. Die Waden schienen so dick zu sein wie anderer Leute Oberschenkel.
«Sie sehen etwas ramponiert aus, Mr. Bolitho. «Dumaresq hatte eine tiefe, wohlklingende Stimme, mit der er bei Sturm an Deck sicher gut durchdrang; doch Bolitho vermutete, da? sie auch Warme und Sympathie ausdrucken konnte.
Er sagte verlegen:»Aye, Sir. Ich habe. Ich war mit dem Rekrutierungskommando unterwegs.»
Dumaresq wies mit dem Kopf auf einen Stuhl.»Setzen Sie sich. «Er hob die Stimme:»Rotwein!»
Fast augenblicklich erschien ein Steward und go? Wein in zwei schon geschliffene Glaser. Danach zog er sich genauso unauffallig zuruck.
Dumaresq setzte sich — kaum einen Meter entfernt — Bolitho gegenuber. Sein Auftreten und seine Energie wirkten einschuchternd. Bo-litho verglich ihn mit seinem letzten Kommandanten. Auf dem riesigen Vierundsiebzig-Kanonen-Schiff war der Kommandant immer ungeheuer weit weg gewesen, fern vom Geschehen in Offiziersmesse und Kadettenlogis. Nur in kritischen Lagen oder bei zeremoniellen Anlassen hatte er seine Anwesenheit spuren lassen, blieb aber auch dann immer auf Distanz.
Dumaresq sagte:»Mein Vater hatte die Ehre, vor einigen Jahren unter dem Ihren dienen zu durfen. Wie geht es ihm?»
Bolitho dachte an Mutter und Schwester in dem alten Haus in Fal-mouth: wie sie auf die Heimkehr von Kapitan James Bolitho warteten; wie seine Mutter die Tage zahlte und vielleicht auch davor bangte, da? er sich sehr verandert hatte. James Bolitho hatte in Indien einen Arm verloren, und als sein Schiff au?er Dienst gestellt wurde, hatte man ihn auf unbestimmte Zeit auf die Reserveliste gesetzt.
Bolitho sagte:»Er mu?te jetzt wieder zu Hause sein, Sir. Aber da er einen Arm verloren hat und damit die Aussicht, im Dienst des Konigs zu bleiben, wei? ich nicht, wie es mit ihm weitergehen wird. «Er brach ab, erschrocken daruber, da? er seine Gedanken offen ausgesprochen hatte.
Aber Dumaresq deutete nur auf das Glas.»Trinken Sie, Mr. Bolitho, und sprechen Sie sich aus. Mir ist wichtiger, da? ich erfahre, was Sie denken, als da? Sie uber meine Reaktion nachdenken. «Der Satz schien ihn selber zu belustigen.»Es geht uns allen ahnlich. Wir konnen uns wirklich glucklich schatzen, da? wir dies hier haben. «Sein gro?er Kopf drehte sich nach links und rechts, als er die Blicke durch die Kajute schweifen lie?. Er sprach vom Schiff, von seinem Schiff, das er offenbar mehr als alles andere liebte.
Bolitho sagte:»Ein schones Schiff, Sir. Es ist eine Auszeichnung fur mich, hierher kommandiert worden zu sein.»
«Ja.»
Dumaresq beugte sich vor, um die Glaser neu zu fullen. Wieder bewegte er sich mit katzenhafter Geschmeidigkeit und setzte seine Krafte wie seine Stimme nur sparsam ein.
Er sagte:»Ich habe von Ihrem gro?en Kummer gehort. «Er hob eine Hand.»Nein, nicht von jemandem an Bord. Ich habe eigene Quellen, denn ich will meine Offiziere ebensogut kennen wie mein Schiff. Wir werden in Kurze auf eine Reise gehen, die eine Menge einbringen, aber auch nutzlos ausgehen kann. Auf jeden Fall wird sie nicht leicht. Wir mussen alle traurigen Erinnerungen hinter uns lassen, ohne sie deswegen zu vergessen. Dies ist ein kleines Schiff, jeder Mann an Bord mu? seinen Platz voll ausfullen. Sie haben unter einigen hervorragenden Kommandanten gedient und dabei sicherlich viel gelernt. Doch auf einer Fregatte ist manches anders. Hier gibt es nur wenige Leute, die sich nicht voll einsetzen mussen, und ein Offizier gehort bestimmt nicht zu ihnen. Sie werden anfangs vielleicht Fehler machen, die werde ich milde beurteilen; aber wenn Sie Ihre Autoritat mi?brauchen, werde ich gnadenlos dazwischenfahren. Vermeiden Sie es, bestimmte Leute zu bevorzugen, denn die wurden Sie eines Tages ausnutzen.»
Er lachte in sich hinein, als er Bolithos ernstes Gesicht sah.»Leutnant zu sein ist schwerer, als es zu werden. Denken Sie immer daran: Die Leute schauen auf Sie, wenn Schwierigkeiten auftreten; Sie mussen dann so handeln, wie es Ihnen richtig scheint. Ihr bisheriges Leben hat in dem Augenblick aufgehort, als Sie das Kadettenlogis verlie?en. Auf einem kleinen Schiff ist kein Platz fur Einzelganger mit Anpassungsschwierigkeiten. Sie mussen ein Teil des Ganzen werden, verstehen Sie?»
Bolitho sa? wie gebannt auf seiner Stuhlkante. Dieser seltsame Mann hielt ihn mit dem zwingenden Blick seiner weit auseinanderstehenden Augen wie in einem Schraubstock gefangen.
Bolitho nickte.»Ja, Sir, ich verstehe.»
Dumaresqs Blick entspannte sich, als vorn im Schiff die Glocke zweimal angeschlagen wurde.
«Gehen Sie jetzt zum Essen. Ich bin sicher, da? Sie Hunger haben. Mr. Pallisers schlaue Methoden, zu neuen Leuten zu kommen, produzieren gewohnlich Appetit, wenn schon nicht mehr.»
Als Bolitho aufstand, fugte Dumaresq ruhig hinzu:»Diese Reise ist fur viele Leute sehr wichtig. Unsere Kadetten haben meist einflu?reiche Eltern, die wunschen, da? ihre Spro?linge sich auszeichnen und vorwartskommen — in einer Zeit, da der gro?te Teil der Flotte aufgelegt ist und langsam vermodert. Unsere Fachkrafte, die Deckoffiziere, sind ausgezeichnet, und wir haben einen guten Stamm erstklassiger Seeleute. Die Neuen mussen sich anstrengen, da mitzuhalten. Ein letzter Punkt, Mr. Bolitho, und ich hoffe, mich hierin nicht wiederholen zu mussen: Auf der Destiny steht Loyalitat obenan. Loyalitat mir gegenuber, Treue zum Schiff und zu Seiner Britischen Majestat. In dieser Reihenfolge!»
Bolitho fand sich — noch immer verwirrt von dem kurzen Gesprach — au?erhalb des Turvorhangs wieder. Poad tauchte auf und fragte aufgeregt:»Alles erledigt, Sir? Ich habe Ihre Sachen an einem sicheren Platz verstaut, wie befohlen. «Er lief ihm zur Offiziersmesse voran.»Den Beginn der Mahlzeit habe ich so lange hinausgeschoben, bis Sie fertig waren, Sir. «Bolitho betrat die Messe, die — im Gegensatz zum letztenmal — voller Mannner war, die sich laut unterhielten.
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