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Die Feuertaufe: Richard Bolitho - Fahnrich zur See - Kent Alexander - Страница 8
Dann winkte er seinen Sanitatsgasten, die den Mann hinunter ins Krankenrevier trugen. Das Blut wurde von den Decks-planken gewaschen, der Trommler und zwei junge Seesoldaten mit Pfeifen stimmten einen munteren Jig an, und nach kurzer Zeit war das normale Leben an Bord wieder im Gange.
Bolitho warf einen raschen Blick auf den Kapitan. Dessen Gesicht war vollkommen ausdruckslos, nur seine Finger trommelten einen kleinen Wirbel auf dem Degengriff, vielleicht im Takt des Jig.
Emport rief Dancer aus:»Was fur eine Gemeinheit, einen Mann so zu behandeln!»
Der alte Segelmeister horte das und knurrte:»Wart' nur, bis du 'ne Auspeitschung rund um die Flotte gesehen hast, Kleiner, da hast du erst richtig zu kauen!»
Doch als die Leute zum Mittagessen gingen — Salzfleisch und eisenharter Zwieback, mit einer Finte kratzigem Rotwein zum Hinunterspulen — , da horte Bolitho von niemandem ein Wort des Zornes oder der Beschwerde. Anscheinend galt auch hier wie an Bord seines vorigen Schiffes die Regel: Wirst du erwischt, wirst du bestraft. Das Vergehen bestand darin, da? man sich erwischen lie?.
Auch im Midshipmen-Logis fand man sich auf dieser Basis damit ab. Aus der anfanglichen Angstlichkeit und Verwirrung, der allgemeinen Unsicherheit vor der Frage, was man tun musse und wann man es tun musse, hatte sich ein neuer Zusammenhalt, eine Harte entwickelt, von der sogar Eden etwas abbekommen hatte.
An erster Stelle standen Essen und Unterkunft; alles andere, auch die Unsicherheit der Reise und der ganze Dienstbetrieb mit allem, was sie auf Befehl taten, wurden allmahlich weniger wichtig.
Der kleine Raum, der sich in die hohle Rundung des Schiffsrumpfes schmiegte, war ihr Zuhause geworden; dort zwischen der wei?en Wandtur und den schwarzen Seekisten nahmen sie ihre primitiven Mahlzeiten ein, vertrauten sich gegenseitig ihre Geheimnisse und Angste an und lernten Tag fur Tag, der eine vom anderen.
Abgesehen von ein paar durftigen Inseln, die sie gesichtet hatten, und zwei passierenden Schiffen schien die Gorgon den Atlantik fur sich allein zu haben. Taglich versammelten sich die Midshipmen auf dem Achterdeck zum Navigations-unterricht unter Turnbulls wachsamen Augen. Jetzt bekamen Sonne und Sterne fur manchen einen ganz neuen Sinn; und die Alteren fingen allmahlich an zu glauben, ihre Beforderung zum Leutnant sei doch nicht mehr ganz so fern und unwahrscheinlich.
Nach einem besonders ublen Geschutzexerzieren an den Zweiunddrei?igpfundern schimpfte Dancer:»Der Mann hat den Teufel im Leib!»
Der kleine Eden uberraschte alle, indem er sagte:»Er hat die G-gicht; das ist sein T-teufel, Martyn. «Sie starrten ihn verwundert an, und mit seiner dunnen, piepsenden Stimme fuhr Eden fort:»Mein V–Vater ist Apotheker in B-Bristol. Solche F-Falle hat er oft zu b-be-handeln. «Er nickte wichtig.»Mr. Tergorren t-trinkt mehr B-Brandy, als gut fur ihn ist.»
Jetzt wu?ten sie etwas Neues uber Tergorren und konnten das Verhalten des Vierten mit gesteigertem Interesse beobachten. Wenn Tergorren unter den machtigen Decksbalken umherschlurfte, schwebte sein Schatten an den Luken vorbei wie ein massives Gespenst, und an jedem Geschutz wartete die Mannschaft auf sein Kommando:»Laden!«,»Ausfahren!«oder» Richten!»
Jedes Geschutz wog drei Tonnen, und funfzehn Mann bildeten die Bedienung fur zwei einander gegenuberliegende Geschutze mit der gleichen Nummer. Jeder Mann mu?te genau wissen, was er zu tun hatte, und mu?te es tun, was auch passierte, unter allen Umstanden. Oft genug brullte Tergorren:»Ich werde euch noch Blut abzapfen, aber das ist gar nichts gegen das, was euch im Ernstfall passiert — also bewegt euch gefalligst!»
Bolitho sa? an dem Hangetisch im Midshipmen-Logis; in einer alten Austernschale flackerte eine Kerze und verstarkte das bi?chen Licht, das von einem Niedergang herabfiel. Er schrieb an seine Mutter. Er hatte keine Ahnung, ob und wann sie den Brief lesen wurde, aber es trostete ihn, eine Verbindung mit seinem Elternhaus aufrechtzuerhalten.
Durch seine Sonderstellung als Turnbulls Assistent beim Navigationsunterricht, wo er jeden Tag die Seekarte des Steuermanns zu Gesicht bekam, wu?te er, da? der erste Teil ihrer Reise fast geschafft war. Viertausend Meilen, hatte der Kapitan gesagt; und beim Studium der Zickzacklinien auf der Karte, an den taglichen Eintragungen der Schiffsposition nach dem Sonneschie?en am Mittag, verspurte er wiederum das erregende Vorgefuhl, das sich einstellt, wenn das Schiff in Landnahe kommt. Sechs Wochen waren vergangen, seit sie in Spithead Anker gelichtet hatten. Standig hatten sie kreuzen mussen, standig die Segel gekurzt und wieder gesetzt. Auf der Seekarte sah der Kurs wie die Spur eines verwundeten Kafers aus. Eine schnelle Fregatte ware inzwischen langst wieder auf Heimatkurs, dachte Bolitho neidisch.
Seine Hand mit der Feder blieb in der Luft hangen. Rufe vom oberen Deck drangen gedampft bis zu ihm herunter. Er loschte die Kerze, barg sie sorgfaltig in seiner Seekiste und legte den unvollendeten Brief unter das oberste seiner sauberen Hemden.
Als er aufs Oberdeck kam, kletterte er schnell zum Backbord-Decksgang hinuber, wo sich bereits Dancer und Grenfell an den Finknetzen festhielten. Aufmerksam spahten sie zum glitzernden Horizont.
«Land?«fragte Bolitho.
«Nein, Dick, ein Schiff!«Dancer grinste ihn an; sein Gesicht, das in dem hellen Sonnenschein noch gebraunter als sonst aussah, war voller Spannung. Man konnte sich jetzt kaum noch an den Regen und die bittere Kalte erinnern, dachte Bolitho. Die See war so blau wie der Himmel, und die leichte Brise war weder bei?end noch drohend, sondern einfach frisch. Hoch uber Deck leuchteten die Bram- und Marssegel wie bleiche Muschel-schalen, und am Masttopp stand der Wimpel steif nach Backbord wie eine blutrote Lanze.
«Deck ahoi!«Alles starrte nach oben auf den kleinen schwarzen Fleck, den Ausguck im Masttopp.»Sie tut nich' antworten, Sir!»
Da erst merkte Bolitho, da? es mit dieser Begegnung etwas auf sich hatte. Der Kapitan stand mit verschrankten Armen an der Reling; sein Gesicht lag im Schatten, und dicht neben ihm beobachteten Midshipman Marrack und seine Signalgasten ihre Hei?leinen und die bunte Reihe Flaggen an der Gro?rah, die das Signal» Welches Schiff?«bildeten.
Bolitho reckte sich so weit uber die Finknetze hinaus, da? er im Gesicht und auf den Lippen das Spruhwasser der Fahrtwelle spurte. Dann sah er das Schiff, eine Schonerbark mit schwarzem Rumpf, die Segel ungebra?t vor dem Hintergrund des blendenden Horizonts; die Masten schwangen in der Dunung.
Bolitho ging weiter nach achtern und horte Mr. Hope, den Wachoffizier, ausrufen:»Bei Gott, Sir, wenn der Kerl nicht auf unser Signal antwortet, hat er bestimmt nichts Gutes im Sinn!»
Verling wandte sich scharf zu ihm um; man sah es ihm an seiner Schnabelnase an, wie gereizt er war.»Wenn er wollte, Mr. Hope, konnte er vor dem Wind ausrei?en und ware in einer Stunde nicht mehr zu sehen!»
«Aye, Sir«, steckte Hope die Zurechtweisung ein. Der Kapitan ignorierte sowohl den Wortwechsel als auch die beiden Offiziere selbst.»Geben Sie dem Stuckmeister Order, bitte«, sagte er.»Er soll ein Buggeschutz ausfahren und ihm einen Schu? vor die Nase setzen, so dicht wie moglich. Die mussen schlafen oder betrunken sein.»
Aber auf das Krachen eines einzelnen Neunpfunders geschah nichts weiter, als da? eine Anzahl Matrosen der Gorgon neugierig an Deck gerannt kam. Die Barkentine (wie man in sudlichen Gewassern eine Schonerbrigg auch nennt) trieb weiter, ohne zu reagieren; ihre Vormarssegel standen beinahe back, die gro?en Segel am Haupt- und Kreuzmast zitterten im Dunst der Hitze.
Der Kapitan befahl kurz:»Segel kurzen und beidrehen, Mr. Verling! Und machen Sie das Achterdeckboot klar! Der Kerl gefallt mir nicht.»
Die Pfeifensignale schrillten und zwitscherten um das Hauptdeck, und innerhalb weniger Minuten drehte die Gorgon bei und legte ihren schweren Rumpf in den Wind; jedes Segel, jedes Tauende schlug und knallte in dem Durcheinander.
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